Während ich Sinnvolleres zu tun hätte, grüble ich nun seit einer Weile über eine Wortneuschöpfung aus den Begriffen Podcast und Prokrastination. Jedenfalls sind Podcasts schon so „in“, dass die jungen Kolleg:innen an der Schule sie als Unterrichtsmethode verwenden. (Also wieder „out“?) Meine Kritik, dass Podcasts nur unter der Bedingung regelmäßigen Contents funktionieren – ähnlich wie ein Blog -, wurde ignoriert und das einmalige Projekt im Unterricht angegangen.
Ich habe den Eindruck, dass es in der letzten Zeit eine Schwemme an neuen Podcasts gegeben hat. Vielleicht entwickelte sich das parallel mit dem verstärkten Versenden von Sprachnachrichten. Über Letzteres entwickelte sich neulich ein Hashtag (das ist bei Twitter ein Begriff für „Diskussion“ oder „Aufregung“ oder „Provokation“) namens #Sprachnachrichten.
(Wenn mich jemand früge: Die Person, die eine Sprachnachricht versendet, zieht sich fein aus der Affäre, denn der andere muss jetzt die Leistung aufbringen, die wichtige von der unwichtigen Information zu trennen. Schreibend würde man sich wohl kaum die Mühe machen, einen Text zu verfassen, der 2-3 Minuten lang gelesen werden muss – Ulay, was leesen! – , um eine oder zwei relevante Infos darin zu verstecken. Aber klar, es gibt sicher auch Vorteile für den Hörer. Ich finde die ungewollten Informationen sehr unterhaltsam, wie z.B. wenn jemand während der Sprachnachricht seinen Bus verpasst oder sowas. Ein Problem bleibt natürlich die fehlende Durchsuchbarkeit.)
Könnte es sein, dass die Produzent:innen von Texten einfach schreibfauler geworden sind und deswegen eher jetzt Podcasts machen? Ein Vorteil könnte auch sein, dass der Text nun eben mehr „passiert“ und man den Inhalt nicht so auf den Punkt bringen muss.
Was ich ganz gut finde, ist, dass der Deutschlandfunk aus seinem Radioangebot Podcasts macht. In solch kürzeren oder längeren Versatzstücken erschafft er so durchsuchbares Radio. Da gabs jetzt in Studio 9 ein ganz gutes Gespräch mit Bernd Ulrich, das klang während der Autofahrt vorhin recht klug, was der so antwortete.
(Ich war mit Anne auf der Rückfahrt von Münster, wo wir auf ein Oddisee-Konzert wollten. Das wurde aber noch spontaner abgesagt. Also entschieden wir spontanst, uns gestern Abend bei unserem nicht stornierbaren Hotel die Zeit zu vertreiben.)
Es stellt sich mir in meiner Erinnerung so dar, als hätte Ulrich in dem Radiogespräch nebenbei nahezu sämtliche Gegenwartsprobleme mit dem Klimawandel verknüpft. Vielleicht wirkte es aber auch nur so klug, weil ich ja hauptsächlich noch Auto fuhr und wir uns nur nebenbei die Zeit vertrieben.
Können eigentlich nur Individuen prokrastinieren oder geht das auch bei ganzen Gesellschaften? Vielleicht wäre das ein moderner Problemlöseansatz, so nach dem Motto: OK, wir wollen (gefühlt: können) nicht das sofort Notwendige zur Bekämpfung der Erderhitzung tun, dann machen wir erstmal was anderes moralisch Sinnvolles und sorgen z.B. dafür, dass wir nicht so rassistisch sind.
Die „Diskussion“ um Disneys Arielle fand in einer anderen Folge auch Widerhall. Ich finde es ganz schön krass, wie viele Leute ihren Rassismus mit dem Unwillen zur Veränderung begründen. Was würde wohl Mermaidman von alledem halten? Und was würde Friedrich Merz von Meerjungfraumann halten?