Zyklonfluten in Bangladesch – Leben in der hazard area
1 Einleitung
Water is a source of life and a natural resource that sustains our environments and supports livelihoods – but it is also a source of risk and vulnerability. (UNDP.ORG3)
Mit der Beschreibung eines sich verändernden globalen Zustandes trifft der Human Development Report 2006 der Vereinten Nationen genau die Situation, die das bevöl-kerungsreiche Bangladesch dominiert. Seien es die im Sommer auftretenden Über-schwemmungen oder der im Winter ausbleibende Regen – Wasser bestimmt das Land wie kein anderes Element. Dabei sind die Bangladeschis auf jährlich wiederkeh-rende, maßvolle Überflutungen angewiesen, um ertragreiche Landwirtschaft zu betreiben. Allerdings können die Fluten zerstörerische Dimensionen annehmen, die nicht nur genau dem entgegenwirken sondern auch unmittelbar das Leben der Men-schen bedrohen. Das ist besonders der Fall, wenn das am nördlichen Golf von Benga-len gelegene Bangladesch von einem Zyklon getroffen wird. Dann sind vor allem die küstennahen Regionen des reliefarmen Landes von einer Flutwelle betroffen, die in ihrem Ausmaß vielen Menschen den Tod zu bringen vermag. Dabei treffen Zyklone immer wieder auf das Land und stellten es in der Vergangenheit vor wiederkehrende Probleme, so insbesondere 1970 und 1991. Die Zerstörung ganzer Landstriche be-deutet den Entzug der Lebensgrundlage der betroffenen Bevölkerung. Diese Arbeit verfolgt deshalb das Ziel, einen Blick zu werfen auf die Situation der Betroffenen, den Umgang mit Zyklonfluten sowie die Perspektiven für das Land. Dazu soll schrittweise vorgegangen werden. Um das Bedrohungspotential eines Zyklons zu verstehen, ist es zunächst notwendig, sich mit dem natürlichen Phänomen zu be-schäftigen. Dies soll in Kapitel 2 Tropische Wirbelstürme geschehen. Im darauffolgen-den Schritt ist der Raum Bangladesch der Betrachtungsgegenstand. Die Bedeutung von allgemeinen Überschwemmungen für das Land soll hierbei genauer untersucht werden, um Zyklonfluten in eine konkrete Relation setzen zu können. Deswegen er-folgt nach Kapitel 3 Extremraum Bangladesch die Untersuchung zweier Zyklonereig-nisse. In diesem Schritt – Kapitel 4 Zyklone in Bangladesch: 1970 und 1991 – sollen sowohl natürliche Aspekte vor allem aber der Umgang mit den beiden Katastrophen verglichen werden. In Kapitel 5 Perspektiven für Bangladesch sind zwei unterschiedli-che Betrachtungsgegenstände die Grundlage für weiterführende Überlegungen: Zu-nächst soll die Nachhaltigkeit im Umgang mit Zyklonfluten untersucht werden, danach stehen die Auswirkungen des Klimawandels auf Bangladesch im Blickpunkt. Beides ist Ausgangspunkt für ein Fazit, das in Kapitel 6 Zusammenfassung und Ausblick ge-zogen werden soll. Diesen Ausführungen liegen Hypothesen zu Grunde, die als Leitfaden durch die Ar-beit führen sollen. Eine grundsätzliche Annahme ist, dass Zyklonfluten bedrohliche Ausmaße annehmen und deren Folgen in Bangladesch besonders verheerend sein können. Eine weitere These ist, dass das wirtschaftlich arme Land bei Zyklonkatastro-phen auf fremde Hilfe angewiesen ist. Die Annahme, dass sich der Umgang mit Ka-tastrophen von 1970 bis 1991 deutlich verbessert hat, liegt insbesondere Kapitel 4 zu Grunde. Der darauffolgende Schritt, Kapitel 5.1, basiert auf der Hypothese, dass nach 1991 vermehrt nachhaltige Hilfskonzeptionen vorzufinden sind. Die Untersuchung zu den prognostizierten Auswirkungen des Klimawandels auf Bangladesch soll die Ver-mutung, dass das Land aller Voraussicht nach unter den Folgen der globalen Erwär-mung besonders zu leiden hat, belegen oder widerlegen. Inwieweit die hier aufgestell-ten Hypothesen zutreffen, soll in Kapitel 6 reflektiert werden. Dies wird notwendig sein, um den Blick zu einer langfristigen Perspektive zu öffnen.
6 Zusammenfassung und Ausblick
Die eingangs formulierten Hypothesen lassen bei abschließender Betrachtung nur eine differenzierte Bewertung zu. So wurde sowohl in Kapitel 2 als auch in Kapitel 4 dargelegt, dass tropische Wirbelstürme ein großes Gefahrenpotential besitzen, das gerade in Bangladesch verheerende Ausmaße entfalten kann. Allein durch zwei Zyk-lonkatastrophen wurden 1970 und 1991 mehr als 440.000 Menschen getötet. Zwar haben tatsächlich innerhalb der 21 Jahre Verbesserungen im so genannten Katastro-phenmanagement stattgefunden. Dies hing im Wesentlichen mit einer verbesserten Koordinierungs- un Kommunikationsfähigkeit der Hilfsmaßnahmen zusammen. Ande-re Mechanismen wie das Vorhersage- und Warnsystem wurden allerdings an den entscheidenden Punkten nicht verbessert. Doch gerade hier zeigen verbesserte Vor-hersagemodelle sowie lokale und nachhaltige Vorsorgemaßnahmen Möglichkeiten auf, wie eine Verbesserung der Warnstruktur stattfinden kann, welche die Perspektive der betroffenen, überwiegend ländlichen Bevölkerung der Küstenregionen Bangla-deschs in den Fokus rückt. Ein pauschales Urteil ist dabei aber nicht möglich. In ver-schiedenen Maßnahmen nach dem Zyklon 1991 verfolgte die Regierung Bangla-deschs überwiegend einen Top-Down-Ansatz – mit Unterstützung der UN. Andere, langfristig wirksamere Wege als die alleinige Fokussierung bspw. auf den Ausbau der Cyclone Shelters wurden u.a. mit dem CBDPP aufgezeigt. Nachhaltige Katastrophen-hilfe kann nur funktionieren, wenn die Perspektive der betroffenen Menschen einge-nommen und berücksichtigt wird. Das bedeutet, dass sich Katastrophenhilfe, will sie langfristig wirksame Konzeptionen verfolgen, auch gleichzeitig als Entwicklungshilfe begreifen muss. So muss gerade im Angesicht einer sich in Zukunft zuspitzenden Bevölkerungs- und damit auch Ernährungsproblematik Rücksicht auf die elementaren Bedürfnisse der Bevölkerung Bangladeschs genommen werden. So wäre die Wieder-aufforstung der Mangrovenbestände als natürliche Schutzfunktion vor Zyklonfluten zwar wünschenswert. Passieren darf dies aber nur, wenn dafür bspw. kein Reisfeld ersatzlos aufgegeben werden muss. Besonders in Anbetracht der unter dem Stichwort Klimawandel diskutierten, prognostizierten Veränderungen für das Land ist dies ein heikles Thema. Ein steigendes Bevölkerungswachstum in Bangladesch bei gleichzei-tig geringer werdender Nutzfläche birgt längerfristig vor allem eine sozioökonomische Brisanz in sich. Deswegen muss nachhaltig angelegte Entwicklungs- und Katastro-phenhilfe besonders die durch den Klimawandel bedingten Veränderungen berück-sichtigen. Es ist wichtig, dass bei aller wachsender Bedrohungslage der Situation ge-genüber nicht resigniert wird. Schließlich haben die Untersuchungen hier auch aufge-zeigt, dass Hilfsmaßnahmen im Zusammenhang mit den Zyklonkatastrophen von den unterschiedlichsten Seiten kamen. Etliche NGOs – aus den unterschiedlichsten Län-dern – zeigen in Bangladesch ein Engagement. Auch die UN scheinen sich der Situa-tion bewusst zu sein – zumindest legen dies das Engagement nach dem Zyklon 1991 und die intensiven Untersuchungen zu den regionalen Auswirkungen des Klimawan-dels nahe. Alle Untersuchungen in dieser Arbeit haben gezeigt, dass Bangladesch von Wasser bestimmt wird, wie von keinem anderen Element. Dabei wurden bspw. die großräumi-gen, regelmäßigen Überschwemmungen im Landesinneren nur nebensächlich be-handelt. Doch gerade hier tut sich eine Perspektive auf, die klar macht, dass trotz aller Probleme nicht die natürlichen Auswirkungen dieser Resource entscheidend sind sondern der Blick darauf aus der Perspektive der Betroffenen. So steht einem ein-gangs dem Human Development Report entnommenen Ausspruch über die Ambiva-lenz der Resource Wasser abschließend ein Sprichwort Bangladeschs gegenüber:
Wasser ist die Mutter unseres Landes. Es bringt Leben, nicht den Tod. (zit. n. MA-TEJKA 2007, S. 162).