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Kategorie: BLOGBuchstaben

Zeitmanager

Gestern hatten wir an unserer Schule einen pädagogischen Tag. Für die Schüler bedeutet das, sie haben einen Tag frei. Die Lehrer müssen arbeiten. Das Thema war Zeitmanagement. Durch den Vormittag führte ein Mensch, der sich wohl auf dieses Thema spezialisiert hat und in Firmen&Co solche Workshops anleitet. Es wurden zunächst einige Modelle und Prinzipien vorgestellt:

Zu Prokrastination (Stichwort: „Die Faulheit steigt mit den Möglichkeiten.“) verlor unser Zeitmanager kein Wort. Interessant fand ich die Unterscheidung zwischen Effektivität und Effizienz: Tue ich die richtigen Dinge? (Effektivität) Oder tue ich die Dinge richtig? (Effizienz) Allerdings würde ich die beiden Begriffe nicht (so) unterscheiden. Ich halte das eher für einen rhetorischen Trick, um Verblüffung zu erzeugen, nachdem jeder trotz Grübelei nicht auf die Unterschiede der beiden Begriffe gekommen ist.

Im Grunde hatte ich das Gefühl, dass sich alles eher an Führungskräfte richtete. Schließlich gab der Workshopleiter uns Anekdoten mit auf den Weg, wie bspw. die von jenem hart arbeitenden Menschen, der zum ersten Mal in seinem Leben 3 Wochen Urlaub am Stück genommen habe. Als dieser dann nach den 3 Wochen seine Arbeitsmails abgerufen habe, seien das so viele gewesen, dass er sie alle in einen Extraordner verschoben habe, um sie sich später anzusehen. Nach Monaten sei ihm dann der Ordner mit den nichtbeantworteten Mails eingefallen. Da habe er für sich gemerkt: Es sei ja auch so gegangen.

In der sich anschließenden Gruppenarbeitsphase zog ich mich ins Bürro zurück, um mich weiter um den Zeugnisdruck zu kümmern (der Kollege, der das üblicherweise macht, war erkrankt), und dachte darüber nach, wieviel Arbeit durch die nicht beantworteten Mails wohl an anderen hängen geblieben war.

Wenn sich in unserer Schule alle nur noch an die erlernten Zeitmanagementregeln halten würden, wären wir sicher bald keine Teamschule mehr.

Beerdigungstourist

Am Freitag wollte ich auf eine Trauerfeier. Zehn Minuten vor Beginn berat ich über einen Nebeneingang den Neuen Friedhof – zum ersten Mal war ich dort – und machte mich auf dem riesigen Gelände auf die Suche nach der Kapelle. Schließlich sah ich das passende Gebäude und eilte zum Seitenaufgang, doch als ich gerade die Treppe zum Innenhof aufsteigen wollte, kam mir plötzlich eine Urne samt Trauerzug entgegen. Ich wand mich möglichst unauffällig um – und machte mich auf die Suche nach einer alternativen Kapelle, schließlich konnte dort, wo die eine Trauergemeinde das Gebäude verlässt ja nicht in wenigen Minuten die nächste Trauerfeier beginnen. Oder hatte ich mich womöglich in der Zeit geirrt? Zwischen den Bäumen der parkähnlichen Anlage lugte ich immer wieder Richtung Trauerzug, ob ich nicht doch jemanden erkennen würde. In meinem türkis-blauen Outfit – ein Wunsch der Hinterbliebenen war es, die Lieblingsfarben des Verstorbenen zu tragen – wirkte ich ziemlich verloren zwischen den Sträuchern und Bäumen des weitläufigen Friedhofs. Ich entschied, mein Glück nochmals beim Ausgangsgebäude zu probieren. Dort traf ich dann diesmal – es waren etwa 7-8 Minuten vergangen – auf die richtige Trauergemeinde. Man klärte mich flüsternd noch schnell auf, dass die vorausgegangene Trauerfeier eine Stunde zu spät gewesen sei, ich hätte gerade noch das aufgestellte Bild des zuvor zu Bestattenden verpasst, was recht makaber gewesen sei. Was dann begann, war eine bewegende Trauerveranstaltung.

BUS

Donnerstag bin ich (auf dem Fahrrad) zwischen einem mich überholenden Zieharmonikabus und einem einparkenden Auto beinahe zerquetscht worden. Ich fuhr auf der Straße, der Bus überholte mich mit geschätzt weniger als 1m Abstand auf Höhe der ersten Sitzreihen links und dem einparkenden Auto rechts. Der Busfahrer drängte etwas nach rechts und mit einer starken Bremsung konnte ich noch rechtzeitig anhalten. Geschimpft habe ich wie ein Rohrspatz.

Meine Physiotherapeutin (Radfahrerin) hatte vor Jahren bereits über die Gießener Busfahrer geschimpft. Ich hatte das damals nicht so krass gesehen, mittlerweile aber einige Erfahrungen gemacht, die das tendenziell bestätigen. Noch problematischer finde ich allerdings diverse Radwege, die vom Bürgersteig auf Höhe einer Bushaltestelle auf die Straße zusammengeführt werden. Das ist sicher für Busfahrer schwer einzusehen. Zugegeben war dies nicht mein erster Gedanke, als ich damals mit einer Vollbremsung einen Ziehamonikabus etwa 50cm vor meiner Nase vorbeibrettern sah. (War es der gleiche Bus?)

Am Donnerstag habe ich mich jedenfalls über diese rücksichtslose Fahrweise des Busfahrers so sehr geärgert, dass ich ihn an der nächsten Haltestelle ansprach, ob er mich nicht gesehen hätte. Seine Reaktion: „Haben Sie mich nicht gesehen? Das ist kein Formel1-Rennen!“ (Ich muss hier nochmal betonen, dass er mich überholte.) Das fand ich sehr frech (, aber weil ich so langsam bin, fiel mir das erst später auf) und bat ihn mit zusammengelegten Händen: „Bitte, bitte, bitte, nehmen Sie mehr Rücksicht!“ Er hat mich dann mit den Händen nachgeäfft. Hat sich alles nicht so toll angefühlt. Habe mich dann noch den ganzen Tag aufgeregt. Auch irgendwie dumm.

Nennt man das eigentlich Nötigung?

Ich sehe da eher ein strukturelles Problem in der falschen Priorisierung bei städtischer Verkehrsplanung und halte Veränderungen hier für wesentlicher als Diskussionen um Tempolimits auf Autobahnen. Allerdings kann es mir auch passieren, von E-Bussen zerquetscht zu werden.

Vujelsterwe

Diego weist auf das Vogelsterben (logo) hin: Vogelsterben: Es ist etwas faul im ländlichen Raum. Ich fasse das aus meiner Sicht Wesentliche zusammen für die Leesefaulen:

Die Arten der Kulturlandschaft haben Bestandseinbrüche von 50 Prozent und mehr erlebt, während ihre Verwandtschaft im Siedlungsraum oder in den Wäldern sich deutlich besser gehalten hat und nur geringe Verluste verkraften musste. […] Beginnend mit der Flurbereinigung wurden Flächen zusammengelegt und »störende« Strukturen wie Kleingewässer, Streuobstwiesen, Hecken oder einzelne Bäume entfernt. […] Die Überdüngung mindert die Artenvielfalt auf Äckern und Wiesen und sorgt dafür, dass Gräser zu schnell für viele Wiesenbrüter wachsen.

Gegen Ende des Artikels wird die britische Hope Farm verlinkt. (Diese gibt übrigens ein deutliches Wachstum der Vogelzahlen seit 2000 an.) Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass konventionelle Landwirtschaft und Naturschutz zusammen funktionieren können.

Siehe auch: Kernbeißer, Weltbienenrat.

Böhmermine

Dienstag war ich im Palladium in Köln zur Premierenshow des Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld feat. Jan Böhmermann. Sie haben schöne Stücke gespielt und eine gute Show geliefert. Ein wenig mehr lockere Improvisation und es wäre noch unterhaltsamer gewesen.

Mir ist aufgefallen, dass das Palladium keine gute Akkustik bot. Gerade wenn man am Seitengang hinter Säulen stand, hat man nicht nur nichts von der Bühnd gesehen, sondern auch den Gesang nicht verstanden. Ich vermute, das liegt daran, dass das Palladium zuerst auf Fernsehübertragungen ausgerichtet ist. Jedenfalls hat der große Kameraschwenkarm gelegentlich noch stärker die Sicht versperrt als die Säulen.

Wie gesagt, mehr Improvisation hätte einem nicht das Gefühl gegeben, einer Zusammenfassung beizuwohnen. Ähnlich wie bei Mine & Orchester, wenn ich mich recht erinnere.

Tscheina

Endlich zeigt jemand mal eine sinnvolle Anwendungsmöglichkeit von diesem ganzen Überwachungskram:

„Wenn jemand später kommt, ist der Haupteingang geschlossen. Dann müssen die Schüler durch ein Gesichtserkennungssystem eintreten. Und wir Lehrer können dann auf dem Wechat-Konto der Schule sofort sehen, wer sich heute verspätet hat.“

Alles unter Kontrolle – Chinas intelligenter Schule entgeht nichts

Autobahn

Unter verschiedenen Artikeln auf Spiegel-Online gibt es ja immer wieder eine Kommentarfunktion. 5 Beiträge pro Kommentarseite werden da jeweils angezeigt. Ratet, welches Thema besonders stark kommentiert wurde. Richtig: Klimaschutz –
Regierungskommission schlägt Tempolimit auf Autobahnen vor. Oder wird dieser frischere Artikel noch gewinnen: „Lehrende“ statt „Lehrer“ –
Hannover führt gendergerechte Sprache ein.

Was sagt uns das? Vermutlich weniger, als unser Gehirn sich so denkt.

Siehe auch:

Klimaschutzpolitik – Zusammenzucken beim Thema Tempolimit

Limit auf Autobahnen – Ja zu Tempo 200! (Oje…)

Bikes vs Cars

Zur Diskussion: Tempolimit auf deutschen Autobahnen – Freiheitsbeschränkung oder Umweltschutz?

Science-Religion

Stefan schickt mir diesen Link: StarTrek-Theologie.

Ich finde ja beim Thema Science Fiction und Religion Prometheus (Film, Mythos) interessant, weil da eine negative Schöpfungsgeschichte zugrunde gelegt wird. Da kommen die Konstrukteure auf die Erde und verteilen mittels schwarzem Glibbergengift die DNA eines der ihren auf dem Planeten – nur um später die Menschheit wieder auslöschen zu wollen. Der einzige Grund, warum das nicht passiert, ist, weil etwas schief gelaufen war. Genauso macht der Android David Fehler – und wird dadurch erst kreativ (und erschafft in Alien: Covenant allerlei Alienkreaturen). Also im Grunde Imperfektion als Antrieb der Schöpfung überhaupt.

Ich weiß, neu ist das nicht. Im Gegensatz zur neuen Staffel Star Trek: Discovery. Ich habe nach der ersten Folge die Befürchtung, dass die Serie die typische Netflixisierung durchmacht. Nachdem Staffel 1 eher dicht wirkte, hatte ich nun das Gefühl, dass die Story nun eher in die Länge gezogen wird.

Wer was wirklich Neues lesen möchte, dem empfehle ich Der Gewissensfall.

Klubkultur

Neulich habe ich beim Frühstücken am Nachbartisch dem Gespräch einer 5er Normcore-Runde gelauscht. Demnach sei der Kitkatclub in Berlin wärmstens zu empfehlen. Schließlich hätten dort alle nackt getanzt. So ein Laden fehle Hamburg. Da müsse man sich heute mit dem Urknall eben zufrieden geben. Er habe ja neulich sich um 2h schlafen gelegt, den Wecker früh gestellt, um um 8h wieder weiterzufeiern. Doch bereits um 11h habe seine Freundin gesagt, sie sei müde und müsse nachhause. Das hätte sich voll nicht gelohnt. Als ich noch überlegte, ob ich ihnen den Consciuos-Club empfehlen solle, war die Gelegenheit schon vorbei.

Mich erinnert das an die 58-Stunden-Silvesterparty im Berghain und den Workshop zur Clubkultur auf dem letztjährigen Artlake-Festival. Der Rat des grimmigen Polizeibeamten, den ich ebenso nebenbei im Friedrichshainer Kiez wenig später belauschte, hätte ihnen wohl nicht gefallen: No club today, no club tomorrow.

Kernbeißer

Die Losung für heute steht u.a. in Matthäus 10,29:

Verkauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater.

Das hat mich daran erinnert, dass ich neulich versucht habe, einem Vogel, der gegen die Panoramascheibe meiner Mutter geflogen ist, wieder auf die Beine zu helfen:

Er hat einige Stunden gebraucht, dann war der Karton plötzlich leer. Wenig später hopste er über den Rasen und pickte auf dem Boden unter dem Futterspender. Fliegen habe ich ihn leider nicht mehr sehen. Obwohl vermutlich kein Flügel gebrochen war, schien er das Fliegen irgendwie nicht mehr hinzubekommen. Ob er die anschließende Nacht überlebt hat, weiß ich nicht, gesehen habe ich ihn nicht mehr.

Meine Mutter meinte, es könne sich um einen Kernbeißer gehandelt haben. Ich bin mir nicht sicher, vielleicht war es auch eine andere Finkenart.

Opti? Fast.

Beim Zappen in der ARD Mediathek bin ich auf 3sat auf das Thema Fasten gestoßen: Scobel.

Da waren viele mir bekannte Informationen dabei (Autophagie, Ketone) und einige für mich neue: Fasten durch Nahrungsmittelergänzung Spermidin , Fasten mache Chemotherapie verträglicher.

Ein bisschen nervt mich, dass in jüngster Zeit alles Mögliche evolutionär begründet wird, wenn es klug, plausibel und fortschrittlich klingen soll. Streng genommen ist die Argumentation aber reaktionär, wie es in der Sendung auch deutlich wurde: Da solle unser Körper ernährt werden wie zu Zeiten der Jäger und Sammler, z.B. durch das Intervallfasten, auch 16/8 genannt. Erinnert mich an mein Projekt 20/4. Vielleicht gehe ich das demnächst mal an.

Drei Gesichter

Zwei Filme habe ich in der letzten Zeit bewusst gesehen. Der eine war Sibel.

(Es geht um eine stumme Frau, die sich in einem türkischen Bergdorf nur in Pfeifsprache unterhalten kann. Alle Pfeifdialoge seien authentisch. Die Schauspielerin musste zu Beginn der Dreharbeiten die Pfeifsprache lernen. Lustig fand ich, dass sie zunächst nicht einmal pfeifen habe können.)

Blake und Mortimer

Zu Weihnachten bekam ich zwei Comichefte geschenkt: Die ersten beiden Ausgaben von Blake und Mortimer (Das Geheimnis der großen Pyramide). Jedenfalls dachte ich, dass es die ersten Bände sind, bis ich in der Kastanienallee im Comicladen einen Sammelband sah, der sich nach intensiv gelangweilt wirkenden Recherchen der Dame hinterm Thresen als Vorgänger entpuppte. Nun lese ich auf Wikipedia, dass die nach 1996 erschienen Bände keiner Chronologie mehr folgen. Na toll.

Hat was von Tim und Struppi und Indiana Jones – mit einer Prise Aliens oder antiker Zauberei. Inhaltlich ist es etwas abgedreht. So findet man sich in Der Kampf um die Welt einer überlegenen Macht ausgesetzt, die sich unterirdisch im Himalaya klammheimlich aufrüsten konnte: Die Gelben. (Wie gesagt, hat was von Tim und Struppi.) Naja, ich leese es trotzdem gern.

Humor überwindet die eigene Verstricktheit durch Distanz – und umgekehrt.

Im Anfang steht das Denken still und lauscht

Im Deutschlandfunk Kultur gibt es gerade einige Buchvorstellungen zum Thema Ki&Co, z.B.: Robert Feustel: „Am Anfang war die Information“ – Die Grenzen der Digitalisierung.

Zu Beginn des Beitrages unterläuft dem Moderator ein beliebter Fehler, der sich zum Teil wohl vom Buchtitel herleitet, als er sagt: „‚Am Anfang war das Wort‘, so lautet zumindest in der Bibel die Schöpfungsgeschichte.“ Das gemeinte Zitat ist aus dem Johannesevangelium und lautet eigentlich „Im Anfang war das Wort“. Die Bedeutung verändert sich nicht unwesentlich, wenn es „Im“ oder „Am“ heißt.

Eine interessante Übersetzung findet sich ebenfalls beim DLF Kultur:

Im Uranfang war Er, das Wort.
Und Er, das Wort, war bei Gott.
Und Gott war Er, das Wort.
Der war im Uranfang bei Gott
Alles ist durch Ihn geworden,
und ohne Ihn geworden ist nicht eines.

Eugen Drewermann übersetzt das nicht ungeschickt so:

Am Anfang steht worthafter Geist. Denn worthafter Geist geht nach Gott. Gott selber ist worthafter Geist.

Von Anfang an geht er nach Gott.

Alles entsteht nur durch ihn, und ohne ihn entsteht nichts. Was immer entsteht, ist Leben durch ihn.

Jetzt ist natürlich die Frage, ob Robert Feustel mit seinem Buchtitel wirklich auf das Johannesevangelium anspielen will, vermutlich nicht. Für die Meinung von Philosoph Markus Gabriel, Gedanken seien objektiv wahre Tatsachen, die wie ein Ding existieren, kann er jedenfalls nichts. (Das Beispiel, Angela Merkel sei Bundeskanzlerin, ohne dass wir dies denken, ist eigentlich ein Beispiel für ein Gegenargument, denn wenn niemand denken würde, sie sei Bundeskanzlerin, wäre Angela Merkel verrückt. Wer ist nun verrückt?)

Mir scheint die fälschliche Übersetzung sowie die Zuschreibung zur Genesis ein ähnlich beliebter Irrtum zu sein, wie der, nachdem Eva, das Früchtchen, ihrem Adam einen Apfel gegeben hätte. Siehe auch: Der unsichtbare Apfel.

Am ehesten aus der Reihe der vorgestellten Bücher würde mich „It’s Alive“ interessieren.

#Hashbeck

Zur Causa Robert Habeck habe ich ja schon früher etwas geschrieben:

Außerdem zitiere ich hier einen Kommentar zum Thema, ohne zu wissen, ob ich dem zustimme:

In einer Welt, in der meine Intimität — alle meine mich ausmachenden Emotionen und Gedanken — veröffentlicht würde, herrschte wohl das schlimmste Terrorregime, das man sich vorstellen kann. Wir wären wie beim Verhör, nur dauernd, einer derartig grellen Durchleuchtung ausgesetzt, die man nicht mehr als Licht der Öffentlichkeit bezeichnen kann. Die Welt wäre zu einem total überwachten Lager geworden. Darum ist die Macht, die die Sozialen Medien schon jetzt über uns haben, nicht nur Ausdruck unserer persönlichen Freiheit, sondern ebenso einer Unfreiheit.

Bambus&Co

Vor einigen Tagen habe ich in einer Baumkugel übernachtet. Das war eine tolle Idee von Anne. (Ich würde sie ja gerne verlinken, aber sie hat immer noch kein eigenes Blog, soweit ich weiß.) Das Restaurant hatte eine ziemlich feine Küche. Hungrig saßen wir als einzige Gäste (zunächst) an einem der Tische, als der einzige andere Mensch – der Koch, wie sich später herausstellte – mit einem Teller hübsch dekorierten Essen zu uns kam, uns diesen zeigte und unsere Meinung zur Ästhetik wissen wollte, schließlich machen ja alle bei Instagram (No Fotos!) mit, da müsse er auch mal was posten – und zog uns das Gemüse vor unserer Nase wieder weg.

Das folgende Drei-Gänge-Menü war richtig gelungen. Insgesamt ist Robinsons Nest sehr auf Nachhaltigkeit ausgelegt. So hatte man die Wahl, eine normale Toilette mit Spülung oder ein Plumpsklo mit Rindenmulch und getrenntem Ausscheidungs-Auffang zur besseren Düngenutzung zu benutzen. Der Aufenthalt in der Kugel war ein wenig wie in einem Boot bei ruhigem Seegang. Schön war der Blick in die Baumwipfel und später – wir hatten klare Sicht – der Blick in den Sternenhimmel. Das vegetarische Frühstücksbuffet am nächsten Morgen gefiel mir ausgesprochen gut. Insgesamt also zu empfehlen.

Meinen Hinweis zwischendurch, dass ich es fraglich finde, ob man mit den Anwesenden auch einfach draußen am Lagerfeuer eine Mettwurst grillen kann, fand Anne nicht so lustig. Ich hatte jedenfalls immer ein bisschen das Gefühl, Nachhaltigkeit ist vor allem was für feine Leute.

So von wegen E-SUV fahren. Ich  glaube, es gibt zwei Gründe, warum es von deutschen Autoherstellern zunächst eher Elektro-SUVs gibt als Elektro-Kleinwagen: Der Elektroantrieb wird teuer und SUVs werden ohnehin teuer. Außerdem kann man den ungenutzten Platz in der Karosserie für Akkus verwenden.

Ich hatte darüber dann auch am Montag ein Gespräch mit Christian. Wir waren in McDonalds einen Kaffee trinken und überlegten, dass wir bei der Weihnachtsbaumaktion, die mit einem gemeinsamen Fackelmarsch zum Verbrennen der Weihnachtsbäume mit Mettwürstchen vom Grill & Co endet, mit eigenen Bambusfackeln mitlaufen, vegane Mettwürstchen grillen und vorschlagen, die Bäume nicht zu verbrennen sondern zu kompostieren. (Das war eigentlich irgendwie Diegos Vorschlag.) Im Prinzip alles gute Ideen, die aber ganz schön viel Veränderung abverlangen würden.

Eine Frage dabei ist, kann Nachhaltigkeit gelingen, wenn es sich nur Reiche überhaupt leisten können. Wenn es in einigen Jahrzehnten womöglich so ist, dass ein eigenes (Flug-)Auto nur noch den Superreichen vorbehalten sein wird, weil es für die große Mehrheit der Menschen schlicht zu teuer sein wird, erscheint mir das ungerecht – so wie es ja derzeit im weltweiten Vergleich ungerecht zugeht. Obwohl…

Derweil habe ich mir im Avocadostore in Berlin Bambussocken gekauft. Damit ich wenigstens manchmal tue, was ich für richtig halte.

Eichholzkopf

Nachdem der letzte Fahrradausflug nach etwa 15 Minuten mit einem platten Hinterreifen unterbrochen wurde und dank Patricks Flickzeug die Fahrt nach etwa 30 Minuten fortgesetzt werden konnte, bin ich heute mal woanders lang. Schwer schie hey:

Die Festtagskilokalorien ächzten ganz schön ab 300m N.N. Also als es losging. Am Eichholzkopf bei 600m N.N. haben sie nur noch gewimmert, auch vor Kälte.

Metaorganoid

Ich habe mir ja in der Vergangenheit schwer Gedanken gemacht, wie körperlich alles ist. Passend dazu nehme ich auf ärztlichen Rat seit kurzer Zeit Vitamin D. Die Einnahme hob in den vergangenen Wochen leicht meine Stimmung, ob direkt oder durch Placebo ist mir egal.

(Placebo ist ja eben ein körperlicher Effekt. Der Begriff Placebo wird vermutlich häufig mit dem Wort „nur“ gedacht, was aber der Wirkmacht des Effekts nicht gerecht wird und eher nach einer hilflosen Deskription derer klingt, die *alles* erklären können wollen. Eigentlich geht es um die Frage der Kontrolle: In welchem Maß habe ich es in der Hand, wie es mir geht? Womöglich hilft der Gedanke, dass man nichts für seine Befindlichkeit kann, sehr wohl aber Faktoren beeinflussen kann.

Mich würde interessieren, ob es schon Untersuchungen gibt, ob in Anbetracht des Zusammenwachsens von Technik und Mensch sowas wie ‚Cyber-Placebos‚ oder auch ‚Cyber-Nocebos‚ existieren. Ich vermute, überall, wo Abhängigkeiten entstehen, entstehen bei Funktionsausfall Entzugserscheinungen. Logische Konsequenz: Man sollte zunächst versuchen, sich nicht von seinem Körper abhängig zu machen. Vielleicht besteht ein Problem auch darin, dass der Mensch zu viel über sich und seinen Körper weiß, aber die Informationen nicht gut genug einordnen kann. Also müsste man vor allem an Selbstwahrnehmungscyberimplantaten forschen, wenn das Ziel eine Selbstoptimierung sein soll.)

Interessant im Zusammenhang der Frage, wie körperlich alles ist, ist zum Beispiel, welche Auswirkung die bakterielle Besiedlung des Darms haben kann:

  • Meine Bakterien und ich – Der Mensch als Metaorganismus (Man beachte, dass ein wesentlicher Ausgangspunkt der Kieler Forschung die Hydra ist: „Hydra, alle Tiere und der Mensch sind mehr als ihre Teile. Sie sind „Metaorganismen“, weil ihr Organismus auch die eigenen Mikroben umfasst.“)
  • Der kluge Bauch – Unser zweites Gehirn („Im Bauchhirn lebt eine Hunderte Milliarden von Bakterien zählende Kolonie, deren Aktivität sich auf Persönlichkeit und Entscheidungen des Menschen auswirkt und die dafür verantwortlich ist, ob jemand beispielsweise zurückhaltend oder verwegen reagiert.“)
  • Bakterien-Fund im Gehirn wirft viele Fragen auf („Rosalinda Roberts hält es für denkbar, dass Bakterien direkt im Gehirn eine Rolle spielen könnten. Jene Mikroben, die sie in den Hirn-Gewebeschnitten entdeckte, gehören sogar zu Stämmen wie Bacteroidetes, Firmicutes und Proteobacteria. Diese kommen auch im Darm vor. Es wäre eine faszinierende Vorstellung, wenn die Darm-Hirn-Achse nicht auf einer Fernwirkung beruhte, sondern auf einer direkten Einflussnahme vor Ort.“)
  • „Mini-Gehirne“ aus Stammzellen – Was denkt ein Organoid in der Petrischale? (Hat nicht mit dem Thema direkt zu tun, ist aber auch interessant. „Man könnte sagen: Die Organoide sehen. Licht trifft auf die Netzhautzellen, und die Nervenzellen reagieren mit elektrischen Signalen. Nicht so kompliziert wie im Gehirn, aber das gleiche Prinzip.“)
  • Von cerebralen und anderen Organoiden (Kritischer Blick, 5 Jahre alt: „Mit etwas Glück könnten die Wiener Forscher zeigen, wie sich neuronale Synapsen entwickeln und verknüpfen. Aber die vielfältigen und komplexen Verhaltensmuster von Autismus zu erklären – dazu bedarf es nun wirklich einiges mehr.“)

Ich bin übrigens nicht wirklich schlauer geworden, wie körperlich alles ist. Solange die Maschine aber noch zittert und Vitamin D beim Bloggen hilft, soll mir vieles recht sein.

Schöpfung wird durch Fehler kreativ, sonst bleibt sie Wiederholung. Es folgt die Herausforderung der Kreatur, ihr einen Sinn zu geben.

Α) Für die Skeptiker unter uns: Wenn es die Ewigkeit gibt, dann gibt es sie längst.

Ω) Für die Skeptiker, unter uns: Wenn es die Ewigkeit nicht gibt, was sollte das Jetzt hier?

Porzellanelefant

Minimalismus scheint ja ein Trend zu sein. Umso interessanter, dass da jemand schon vor 30 begonnen hat: Minimalist seit 30 Jahren: Wenn das Leben in einen Rucksack passt. Bemerkenswert ist, dass auch er seinen Besitz immer weiter digitalisiert hat. Denn was er nicht missen möchte, ist sein Tablet. Ich halte Tablets ja lustigerweise eher für überflüssig. Andreas schuf damals, als Jolla das Tablet crowdfunden ließ, den Begriff ‚Porzellanelefant‘. Er war glaube etwas enttäuscht, weil er sich damals ein besseres, größeres Telefon mit SailfishOS gewünscht hatte. Jolla machte ein großes Tamtam mit der Ankündigung „Something BIG is coming“. Im Kern stimmte ich ihm aber damals bereits zu. Wer *braucht* sowas? Es war klar, dass dieses Projekt der Finanzierung von Jolla und damit der Weiterentwicklung von Sailfish diente. Ein Jahr später gab es Finanzierungsschwierigkeiten und das Projekt war gescheitert. Ich gehörte zu den wenigen Glücklichen, die ein Tablet erhielten. Genutzt habe ich es in den vergangenen Jahren eher selten.

Jedenfalls frage ich mich, worum es bei diesem Fengshuisieren eigentlich geht. Befreiung von Sachen bei gleichzeitiger Anhäufung digitalen Besitzes scheint mir wieder gefuddelt. Aber davon habe ich keine Ahnung.

Kann man eigentlich Minimalist und Influencer gleichzeitig sein?

CliFi aka Zusammenhangslos TM

Während ich mir noch immer schwer Gedanken mache, passiert so Einiges.

Tatran hat heute ein neues Album herausgebracht:

(Tree ist einer der wenigen Titel, die wirklich neu sind. The Elephant bspw. kennt man ja schon vom Live-Album.)

Und heute Abend läuft im Deutschlandfunk ein Feature zum Thema Climate Fiction. Das interessiert mich, denn nachdem ich in den vergangenen Tagen einigen Schülern versucht habe, ein paar Dinge rund um den Klimawandel beizubringen, befürchte ich, dass es für den ein oder anderen auch eher um CliFi statt um CliSci ging. Benutzt haben wir das Monash-Klimamodell, mit dem man auch ein bisschen Star-Wars spielen kann. Ziel des Spiels ist es, die Klimafaktoren so zu verändern, dass aus der Erde bspw. Tatooine wird (, dessen Bevölkerung sich übrigens „größtenteils auf die Ballungsräume Mos Eisley und Mos Espa“ konzentriert). Den spielerischen Ansatz finde ich gut. Ich frage mich, was dann später wirklich an Zusammenhang hängen geblieben sein wird.

Außerdem gab es am Mittwoch im PoetrySlam endlich mal wieder einige ernsthafte Texte und weniger Comedy. Da hat es sich gelohnt, seit Ewigkeiten mal wieder hingegangen zu sein. Gute Idee, Anne!

PS: Wusstet ihr, dass es in der Folge Die Schlacht von Maxia von Star Trek – The Next Generation irgendwie auch um die Frage geht, wie körperlich alles ist? Weniger Fiktion ist da im entfernten Zusammenhang dieser Text: Nele hat Schmerzen. Und: Habt ihr schonmal von Silke Bischoff gehört?

Fragmentierte Verantwortung

Ich denke in letzter Zeit viel nach, meist über zwei Dinge:

Inwiefern ist uns fragmentierte Verantwortung – ich verstehe darunter sowas wie das Durchdringen von industriellem Denken von allen Lebensbereichen, dann hab ich gerade mal gegoogelt und gesehen, dass der Begriff bereits benutzt wird – eine Erleichterung (Ich bin nicht für alles verantwortlich.) oder eine Belastung (Ich kann nichts wirklich ändern auf dieser Welt.)

Ist alles nur körperlich? (Der gute Gedanke daran: Ich kann nichts dafür. Der schwierige Gedanke: Für was kann ich denn dann überhaupt was?)

Vielleicht schreib ich darüber ja mal was.

Esut

Diego drängt mich, etwas über die Causa Özil zu schreiben. Ich tue mich da schwer. Schließlich habe ich noch Ferien. Außerdem sagt da ja jeder was zu, da wird schon was Kluges dabei gewesen sein.

Dennoch will ich auf wenige Dinge in diesem Zusammenhang hinweisen:

  • Das Thema kochte meiner Meinung nach so hoch, weil den verschiedenen Standpunkten jeweils in Teilbereichen Recht gegeben werden kann – wenn man denn mal den harten rassistischen Scheiß rausgedröselt hat.
    (Die allergrößte Scheiße heißt: unpolitisch.)
  • Dass es jetzt viel um Rassismus geht, ist zu begrüßen. #MeTwo
    (Wäre das auch ohne Sommerloch der Fall?)
  • Vom Ergebnis her blieb die deutsche Nationalmannschaft bei dieser WM deutlich unter den allgemeinen Erwartungen, es wurde jedoch nicht sofort ein Schuldiger ausgemacht – bis DFB-Präsdient Grindel sich zu Wort meldete und Özil so irgendwie ein bisschen die Schuld geben wollte.
    (Unangenehme Wahrheit 1: Vielleicht waren die anderen Mannschaften einfach besser.)
  • Wenn im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea Hummels Kopfball reingegangen wäre oder Gomez seinen Fuß anders gehalten hätte, wäre die Deutsche Nationalmannschaft wohl nicht in der Vorrunde ausgeschieden.
    (Wäre Özil dann auch zurückgetreten?)
  • Fußball hat vielleicht mehr mit Glück zu tun, als jene denken, die nach dem Ausscheiden nach Verantwortlichen und Konsequenzen suchen.
    (Unangenehme Wahrheit 2: Man müsste sich dann konsequenterweise eingestehen, dass der vergangene Weltmeistertitel auch glücklich gewesen war.)

Wer sich damit weiter beschäftigen möchte – es ist schließlich nicht vorbei, denn im September wird entschieden, ob die EM 2024 in Deutschland oder der Türkei stattfinden wird -, kann z.B. hier lesen:

– Botschafter wider Willen? Fußballer im Kontakt mit Politikern – Text  von Illker Gündogan (Ilkays Bruder) am 29.5.
„Die Debatte ist obsolet“ – Interview mit Serdar Somuncu am 23.7. (Danke Diego)
Wir schweigen Extremisten an die Macht – Kolumne von Sascha Lobo am 25.7. (und der dazugehörige Debatten- und Reflexions-Podcast)
Der Fall Özil: Entmystifizierung des Fußballs? – Gespräch mit Dietrich Schulze-Marmeling und Haci Halil Uslucan am 29.7.
 Rassismus ohne Rassen – Wikipediaeintrag mit weiterführenden Links
– Nachtrag: Sprachforscher: Rassistische Rhetorik wirkt über Wiederholung – Jobst Paul am 30.7.

 

Alte Hipster – geht gar nicht

Mit E-Bikes kann ich ja wenig anfangen – und bin damit vermutlich nicht alleine. Vielleicht liegt das daran, dass ich einfach gerne Fahrrad fahre. Ich höre in Gesprächen darüber öfter, dass es für ältere Menschen ja schon sehr gesund und praktisch sei. Lustigerweise habe ich das Argument bislang nur von vergleichsweise jungen Menschen gehört.

Mit Freunden hatte ich mal kurz darüber gealbert, dass unser nächstes Fahrrad ein E-Fully-Fat-Carbon-Bike werden müsse. Eine kurze Internetsuche ergab dann, dass es ein solches Projekt bereits gibt: … Ich finde es jetzt nicht mehr, dafür aber das: The Cyclotron Bike.

Jetzt gibt es ein E-Bike für den geneigten Hipster: Single-Speed E-Bike CooperE. Was soll ich dazu sagen?

Tatran

Vor zwei Wochen habe ich mir in der Berghainkantine – ich hab mir extra das Hausverbotsoutfit angezogen, damit man mich wiedererkennt (hat aber nichts genützt) – ein Konzert angehört. Tatran hat dort als Trio mit Schlagzeug, E-Gitarre und E-Bass Instrumentalmusik gemacht, die schwer zu kategorisieren ist. Post Progressive Jazz, gibt’s das? Selbst schreiben sie über sich:

TATRAN (Tel Aviv, 2011) are an eclectic Tel-Aviv based instrumental band, with musical influences that range from jazz, avant-garde, post-rock and experimental.

Auch in dieser Gruppe war mal wieder der Bassist auffällig. Bei einem Lied hat er sein Pedal derart eingesetzt, dass er ein klassisches E-Gitarrensolo hingelegt hat. Hat ein paar Minuten gedauert, bis ich gerafft hab, dass da gerade der Bass den Gitarrenpart übernimmt. Schwer in Ordnung die Musik.

Von diesem Konzert hab ich kein Video gefunden, dafür dann das hier:

Diese Pointe Islam.

Disclaimer: Dieser Text behandelt religiöse Themen! (Atheisten oder Agnostiker mit schwachen Nerven seien gewarnt.)

Am Montag besuchte ich in weiblicher Begleitung eine kleine Wanderausstellung der Ahmadyya-Gemeinde Deutschlands im Marburger Rathaus zum Thema Islam. Einer der Ausstellungsbetreuer sprach mich ziemlich schnell an, bevor ich mir auch nur eines der im Raum ausgestellten Roll-ups (s. auch: Public Viewing) durchlesen konnte, die – bis auf zwei spezielle Ahmadyya-Themen zu Kalifen&Co –  größtenteils mit eher allgemeinen Islaminformationen gefüllt waren. Das fanden wir im Nachhinein ziemlich praktisch – ulai, was leesen! So erfuhren wir zum Beispiel, ohne ein Wort lesen zu müssen:

Abdul Basit Tariq, Imam der Ahmadiyya. Der Glaube an eine Art „hauseigenen Kalifen“ bricht das islamische Dogma, dass auf Muhammad kein weiterer Gesandter mehr folge. Damit hat sich die Gemeinde die Ablehnung der übrigen Muslime zugezogen. Im Ursprungsland der Bewegung, Pakistan, verfolgt man die Ahmadis als Ketzer. Sie scheinen Altbekanntes neu zu deuten: Jesus sei nicht am Kreuz gestorben, sondern wurde 120 Jahre alt. Vor allem wollen sie eines, behaupten die Ahmadis: Verständigung und Frieden. (Deutschlandfunkkultur)

Sowas hier hat er uns allerdings vorenthalten:

Hiltrud Schröter: „Die Ahmadiyya ist eine millenarische Kalifat-Bewegung mit der Ideologie vom Endsieg und mit Großmachtfantasien. Zum Beispiel sagte der jetzt regierende fünfte Kalif: Alle göttlichen Anweisungen von Adam bis Jesus sind im Koran enthalten. Der Sieg wird uns geschenkt werden. Die Ahmadiyya wird die Oberhand auf der ganzen Welt erzielen. Das wurde dann noch erläutert. Die Oberhand werde auf der ganzen Welt in 300 Jahren erlangt sein. Die Ahmadiyya ist weltweit bereits aufzufinden in sämtlichen Erdteilen und zwar ist sie nach neuesten Angaben bereits in 190 Ländern und hat insgesamt 14.000 Moscheen bereits erbaut. Das alles in den gut 100 Jahren.“ (ebd.)

Das Gespräch war inhaltlich sehr informativ und später intensiv. Insbesondere als wir Fragen zur Frauenrolle in deren Gemeinden stellten, wurde es dann zu einem höflichen Streitgespräch. Die Begründung, warum eine Frau keine Imamin werden kann, hat mich nicht überzeugt (musste es ja auch nicht): Während der Menstruation dürften Frauen nicht beten. Und was wäre das für ein Imam, der nicht ständig für seine Gemeinde da sein kann? Für mich klang das im Gespräch dann noch öfter nach Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Ein weiterer Betreuer aus Gießen gesellte sich noch dazu und merkte an, dass seine Schwester im Jugendalter beschlossen habe, kein Kopftuch mehr zu tragen. Das sei in Moschee und Familie kein Problem gewesen. Er merkte aber auch an, dass dies bei Gemeinden auf dem Dorf unter Umständen anders sein könnte.

Das würde übrigens meine Beobachtung vergangener gesellschaftlicher Entwicklung bestätigen, dass wir in Wahrheit keine echten Konflikte zwischen Geschlechtern, ‚Rassen‚, Generationen, zwischen Gutmenschen und Stammtischdeutschen, Fleischessern und Veganern etc. haben. Vielmehr sind dies nur Schlachtfelder der Anschaungen zwischen ländlicher und städtischer Bevölkerung. (Da, wo unterschiedliche Menschen miteinander besser und häufiger in einen Austausch kommen können, kann auch besser und häufiger gegenseitiges Verständnis entstehen.) Ich muss nämlich ehrlich sagen, dass ich solch ein ähnliches Gespräch auch mit jemandem in Wissenbach hätte führen können. Patrick bestätigte mich am nächsten Tag: In der FEG in Wissenbach seien weibliche Pastoren eher nicht erwünscht. (Ein Blick auf die Liste der Prediger bestätigt das. Der einzige weibliche Name ist die ehemalige Pfarrerin der evangelischen Kirche.)

Am Schluss des Gesprächs in der Ausstellung war ich dann ein bisschen fies – und hab den Ahmadis die Hand ausgestreckt. Ich wollte nämlich kucken, ob sie ihrer weiblichen Gesprächspartnerin danach auch die Hand schütteln würden. Hamse gemacht. Den zögerlichen Widerwillen interpretierten bestimmt meine Vorurteile in ihre Gestik. Ich fand es jedenfalls schade, dass ich nur männlichen Gemeindemitgliedern die Hand hätte schütteln können. (Das habe nur am Tag gelegen, so ein Gesprächspartner.)

Insgesamt waren mir die religiösen Ansichten der beiden freundlichen Ahmadis zu dogmatisch. Ich bekam den Eindruck, dass es im Grunde für alles eine Verhaltensregel gebe. Mein Gedanke dazu war: Wenn Gott auf die Freiheit des Einzelnen pfeifen würde und es ihm wichtig wäre, dass sich seine Menschen an ein detailiertes, für jede Eventualität gewappnetes Regelwerk hielten, tja, dann wäre es doch am effektivsten, wäre er höchstpersönlich anwesend und würde in seiner Allmacht jedem Menschen immerzu das Passende sagen: „Mach das. Lass das. Leg das weg. Jetzt nicht beten, du blutest.“ Und nicht sowas:

Jesus sprach nun zu den Juden, welche ihm geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Worte bleibet, so seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. (Joh 8, 31f)

Eugen Drewermann hat, wenn ich mich richtig erinnere, in seiner Übersetzung des Johannesevangeliums die Wörter wie „Juden“, „Schriftgelehrten“ oder „Pharisäer“ mit Gottesbesitzer übersetzt. Ich glaube, weil er damit deutlich machen wollte, dass es nicht um die Herkunft dieser Personengruppen sondern um deren Verhalten geht, wenn sie dogmatisch genau wüssten, was Gottes Wille sei. Das ist aber nur meine Lesart.

Für die Wahrheit kann nur streiten, wer sie nicht besitzen will.

Peru

„Leichtes Erdbeben“ nach Elfmeterpfiff:

Um 11.43 Uhr Ortszeit verzeichneten am Samstag die Seismographen leichte Erschütterungen in der Region rund um die Hauptstadt Lima. Exakt in dieser Minute hatte der Schiedsrichter bei der Partie Peru gegen Dänemark der peruanischen Mannschaft einen Elfmeter zugestanden. „Das Beben wurde von vor Freude springenden Fans ausgelöst, die ein mögliches Tor vorab bejubelten“ […].

Vielleicht sollte dort mal ne WM stattfinden.

Künstliche Verantwortung

Diskussionen zwischen KI-Systemen sollen Entscheidungen nachvollziehbar machen, berichtet heise von OpenAI.

Da denke ich mir (was mit dem Artikel selbst nur noch wenig zu tun hat): Wenn uns demnächst Maschinen auch Entscheidungen abnehmen können, dann brauch man ja auch keine Verantwortung mehr zu übernehmen. Autonome Autos sind da ziemlich plausibel, vielleicht gilt das aber auch für andere Bereiche, wie z.B. Altenpflege. Vorher machen uns aber am besten noch die Hirnforscher weis, dass wir gar nicht die Entscheidung selbst treffen, sondern unser Gehirn. Dann wären wir alle fein raus.