Ein Freund von Diego erzählte am Samstag eine ihm zugetragene Geschichte über das Schicksal eines hohen russischen Beamten. Wegen Korruption wurde dieser zu 17 Jahren Straflager verurteilt und entschied sich dann dazu, statt die Strafe anzutreten, sich für den Krieg gegen die Ukraine freiwillig zu verpflichten. Nicht einmal Stalin habe in einem solchen Maße Gefangene auf diese Weise zwangsverpflichtet, ergänzte er.
Zu dem eigentlich Fall aus Irkutsk habe ich nun nichts im Internet gefunden, wohl aber einen Text aus Juni ’24: Wie Russland für einen langen Krieg rekrutiert. Darin heißt es zu Russlands Rekrutierungsstrategie nach der protestbehafteten Mobilisierung 2022:
In der dritten – bis heute anhaltenden – Phase setzt der Kreml auf ein Vorgehen, das in kritischen Analysen als »verdeckte Mobilisierung« bezeichnet wird. Darunter wird die kontinuierliche Anwerbung von »Freiwilligen« in zwei Kategorien verstanden – als reguläre Soldaten, die sich auf Vertragsbasis für eine bestimmte Zeit in den Streitkräften verpflichten (»Kontraktniki«), sowie als Kämpfer in Freiwilligenformationen. [Dabei] handelt es sich formal um Freiwillige, auch wenn deren Rekrutierung nicht selten durch die Ausnutzung von Machtgefällen, durch Täuschung und Zwang geschieht. […] Strafgefangene können seit Juni 2023 als »Kontraktniki« in den sogenannten »Sturm Z«-Einheiten dienen, wodurch eine bereits seit Anfang des Jahres bestehende Praxis nachträglich legalisiert wurde. […] Um die Rekrutierung von »Kontraktniki« zu forcieren, wirbt das Verteidigungsministerium mit hohen Sold- und Sozialleistungen, der Möglichkeit von Straferlass sowie vermeintlich erleichterten Vertragsbedingungen. (swp-berlin.org)
Die Idee, Strafbataillone aus verurteilten Soldaten zu bilden, entstand in dieser Form wohl zuerst während des 2. Weltkriegs 1941 unter Hitler. Im Sommer 1942 folgte dann die Sowjetunion. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass der sowjetische Haltebefehl, der aufgrund des Schocks über den Vormarsch deutscher Truppen an der Ostfront erfolgte, den Einsatz solcher Strafbats verstärkte.
Militärisch mag es plausibel sein, dass Russland für den Krieg gegen die Ukraine möglichst viele Soldaten rekrutieren möchte, ohne gleichzeitig die eigene Bevölkerung allzusehr aufbegehren zu sehen. Allerdings ist der Einsatzzweck solcher Strafbataillone vermutlich nicht unähnlich dem im 2. Weltkrieg.
The death rate among gunners serving in penal squadrons was exceptionally high. While prisoners assigned as gunners could theoretically clear their sentences after surviving ten missions, like the infantry they were frequently transferred to penal mine-clearing units before reaching this total. (Wikipedia)
Das deutet darauf hin, dass solche Strafbataillone nicht unbedingt entscheidend sind, um einzelne Schlachten zu gewinnen. Vielleicht geht es wie auch im 2. Weltkrieg vielmehr um die Steigerung des Gehorsams innerhalb des regulären Militärs.
In his order, Stalin also mentioned Hitler’s successful use of penal battalions (known as Strafbataillon) as a means to ensure obedience among regular Wehrmacht units. (Wikipedia)
Glücklicherweise haben wir auch über andere Dinge gesprochen, niemand ist schließlich gerne Kalliberexperte.
Nachtrag: Shtrafbat (Fernsehserie 2004)